Mietrecht- Eigenbedarf scheitert an hohem Alter des Mieters wegen besonderer Härte
Ein hohes Lebensalter des Mieters reicht nach Auffassung des LG Berlin allein schon aus, um nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen zu können. Eine genaue Altersgrenze zog das Gericht nicht.
Hintergrund: Vermieterin kündigt betagten Mietern wegen Eigenbedarfs
Die Vermieterin einer Wohnung verlangt von den 87- und 84-jährigen Mietern die Räumung. Im Jahr 2015 hatte die Vermieterin eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erklärt. Das Mietverhältnis besteht seit 1997.
Die Mieter haben der Kündigung widersprochen. Sie verwiesen auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.
Entscheidung: Wohnungsverlust im hohen Alter ist Härtegrund
Das LG Berlin weist die Räumungsklage ab und spricht den Mietern einen Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Dabei lässt das Gericht offen, ob die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich bestehen. Für Mieter hohen Alters begründe allein schon der Verlust der Wohnung eine Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB – unabhängig von dessen gesundheitlichen und sonstigen Folgen. Die Vorschrift sei mit Blick auf den durch Art. 1 Abs. 1 GG (Garantie der Menschenwürde) und das Sozialstaatsprinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungsanspruch alter Menschen entsprechend weit auszulegen.
Bei einer nicht auf einer Pflichtverletzung des Mieters beruhenden Kündigung gebiete das als Härtegrund eingewandte hohe Alter des Mieters in der Regel eine Fortsetzung des Mietverhältnisses, auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters.
Die Interessenabwägung könne nur dann zu Gunsten des Vermieters ausfallen, wenn dieser beim Fortbestand des Mietverhältnisses besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile befürchten müsse. Das Erlangungsinteresse des Vermieters müsse in seiner Bedeutung für den Vermieter über ein gewöhnliches „berechtigtes Interesse“ zur Kündigung noch hinausgehen und an die Gründe heranreichen, die die Beendigung des Mietverhältnisses aus seiner Sicht berechtigterweise als geradezu notwendig erscheinen lassen.
Offen ließ das Gericht, ab welchem Alter sich Mieter auf den Härtegrund „hohen Alters“ berufen können. Im konkreten Fall waren beide Mieter bei Ausspruch der Kündigung über 80 Jahre alt, sodass ein hohes Alter hier jedenfalls gegeben sei.
Eine Revision gegen das Urteil hat das Landgericht nicht zugelassen.
(LG Berlin, Urteil v. 12.3.2019, 67 S 345/18)
Quelle: haufe.de/recht