Härtefallabwägung bei einer Modernisierungsmieterhöhung
§ 559 Abs. 4 S. 1 BGB lautet: „Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.“.
Im konkreten Fall ließ die beklagte Vermieterin Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm und nahm einen seit den 1970er Jahren stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb. Gegen die Mieterhöhungserklärung wandte der Mieter ein, dass die Mieterhöhung für ihn eine finanzielle Härte bedeute. Die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Mieters angemietet. Der Mieter bezieht Arbeitslosengeld II.
Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass die Unangemessenheit einer Wohnungsgröße und damit der Ausschluss des Härteeinwands durch den Mieter nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige Anzahl der Bewohner bestimmt werden könne. Vielmehr komme es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – etwa auch der Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seiner gesundheitlichen Verfassung – für seine Bedürfnisse deutlich zu groß sei. Hierzu habe das Berufungsgericht zutreffend als maßgeblichen Gesichtspunkt berücksichtigt, dass der Mieter schon seit dem Jahr 1962 und mithin seit rund 55 Jahren in der Wohnung lebe und ihm deshalb entgegen der Auffassung der Vermieterin nicht vorgehalten werden könne, dass er schon seit Beginn des Mietverhältnisses „über seine Verhältnisse“ lebe.
Das Berufungsurteil wurde dennoch aufgehoben, weil keine ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen worden seien, bei deren Vorliegen ein Härteeinwand des Mieters gesetzlich ausgeschlossen sei.
Bezüglich der Modernisierungsmaßnahme „Vergrößerung der Balkone auf 5 qm“ habe das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen zu der entscheidenden Frage getroffen, ob Balkone dieser Größe allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren Verhältnissen in der Region anzutreffen seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ließe sich allein aus dem Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstufe, keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen.
Hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahme „Fassadendämmung“ habe das Berufungsgericht verkannt, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem Eigentümer im Falle der Erneuerung des Außenputzes an Fassadenflächen zwar vorgebe, Wärmedämmungsmaßnahmen durchzuführen, ihm aber eine Verpflichtung, den Außenputz zu erneuern, gerade nicht auferlege. Vielmehr stehe es regelmäßig im freien Belieben des Vermieters, ob und wann er eine Erneuerung des Außenputzes vornehme. Erst wenn er sich hierzu entschlossen habe, verpflichte ihn das Gesetz zur Einhaltung bestimmter Wärmedämmwerte.
§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur dann aus, wenn der Vermieter die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme nicht zu vertreten habe, sich ihr also aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften nicht entziehen könne. Es kommt daher darauf an, ob für den Vermieter eine Erneuerung des Außenputzes „unausweichlich“ sei, etwa weil dieser aufgrund altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der Vermieter zudem einem berechtigten Instandsetzungsbegehren des Mieters oder einer behördlichen Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung von Schäden dringend aus Sicherheitsgründen geboten ist. Nur im Falle einer solchen „Unausweichlichkeit“ befindet sich der Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des Härteeinwands des Mieters rechtfertigt.
Aktenzeichen: VIII ZR 21/ 19
Urteil vom 09.10.2019